Am 14.06.2011 sah ich bei Twitter, dass irgendjemand eine Google-Map veröffentlicht hat, auf der rund 400 Spender der NPD mit Klarnamen und Adresse verzeichnet sind.
Neugierig habe ich die Karte geöffnet und war erstaunt, was für eine Wirkung diese Karte auf mich hatte. Meine erste Reaktion: Wo ist denn der nächste Nazi in meiner Nähe? Aha, in ganz unmittelbarer Nähe findet sich schon mal keiner, die beiden nächstgelegenen jeweils in rd. 15km Entfernung. Mal auf das Fähnchen klicken. Klarname und Adresse. Und zack, direkt mal zwei Menschen in meinem Kopf gebrandmarkt, ohne dass ich bis dahin genaueres über die Herkunft der Daten recherchiert hätte*).
Mal gucken, was sich über die beiden denn so im Netz finden lässt… (und schon geht die Suche weiter über Google, 123People und was es sonst nicht alles noch gibt). Da habe ich zwei Namen, ziemliche Allerweltsnamen, das Netz bietet mir eine Vielzahl von Fotos an, aha! So sieht der Nazi also aus… oder warte, nee, das ist ja ein ganz anderer, der zufällig auch so heißt.
Und plötzlich komme ich mir komisch vor. Da entstehen Bilder in meinem Kopf von Leuten, von denen ich noch nie etwas gehört habe, plötzlich verwandle ich mich in einen Hobby-Nazijäger, der genaugenommen gar keine Ahnung davon hat, was er da gerade tut.
Ich stoppe die „Recherche“ und bin nun zwiegespalten: Ist es richtig, so eine Karte zu veröffentlichen? Ist es richtig, dass jeder Hinz und Kunz zum Nazijäger werden kann? Soll ich mal weiter suchen, was ich über die beiden mutmaßlichen Nazis in meiner Nähe so herausfinden kann? Und was dann? Hinfahren? Ich würde damit jemanden verfolgen, will ich das überhaupt? Warum sollte ich das wollen? Naja, Nazis loswerden, das wäre ja schon eine gute Sache… aber darf ich das überhaupt? Ist das nicht Denunziantentum? **)
Plötzlich die Angst, dass da jemand Bekanntes auf der Liste stehen könnte, erster Check… puh, zum Glück nicht. Ein Unbehagen befällt mich. Stell Dir vor, da hätte jetzt einer draufgestanden… Auch wenn’s mutmaßlich dreckelige Nazis sind, rechtfertigt das Nazi-Methoden?
Dann bin ich über den Artikel „Hier sitzt das Nazigold“ bei taz.de gestolpert, der Autor Rasmus Cloes bringt uns einige der Namen auf der Liste näher und identifiziert sie als real existierende Nazis:
„Spender waren etwa die sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Gitta Schüßler, mehrere Mitarbeiter der NPD-Fraktion aus Mecklenburg-Vorpommern oder David Böttcher, Bodyguard des Fraktionsvorsitzenden Udo Pastörs.“
Und weiter:
Aus Spanien etwa der Alt-Nazi Rolf Hanno, der mittlerweile eine feste Größe in der Liste der NPD-Spender geworden ist.
Und plötzlich wandelt sich mein Gefühl erneut, da stehen mit Sicherheit keine Bekannten von mir auf der Liste! Das sind wirklich dreckige Subjekte, die mit viel Aufwand und Energie aller übelste Gesinnungen propagieren! Denen soll aber gerne mal einer so richtig ans Bein pinkeln!
Mein Fazit lautet also: Ja, es handelt sich um eine Art Denunziantentum, so eine Liste zu veröffentlichen.
Update 16.06.2011 – 12:00: Ein solches Vorgehen ist daher nicht zu unterstützen, zumal die Daten illegal erworben und nicht geprüft wurden. Ich lehne einen öffentlichen Pranger ab. Man darf nicht jemandes Methoden verurteilen, sie dann aber selbst anwenden.
Prinzipiell glaube ich aber, dass jemand, der eine Partei wie die NPD finanziell unterstützt, das in vollem Bewusstsein tut und mit so einer Spende aktiv die Ziele der NPD befürwortet. Wer so etwas in vollem Bewusstsein tut, muss auch aushalten, mit diesem Sachverhalt konfrontiert zu werden. Diese Konfrontation muss aber unbedingt und ohne Abstriche im Rahmen der Legalität erfolgen.
*)Inzwischen habe ich mir die Seite der „No Name Crew“, die als Quelle der Karte angegeben ist, einmal angesehen.
Dabei handelt es sich um eine finstere Hacker-Seite mit einem verschwurbelten Einleitungstext, in dem ein gewisser „Darkhammer“ sich als „stolzen Deutschen“ bezeichnet und „nicht zulassen [will], dass die NPD mehr Einfluss gewinnt, und auf Schulhöfen ihr propagandistisches Material verteilt.“ Ach ja, er ist vor allem auch „kein Mann großer Worte“. Si tacuisses…
Die Frage ist also: Sind die genannten Personen NPD-Unterstützer oder nicht? Nun hat der taz.de-Artikel zumindest einige Namen als tatsächliche NPD-Sympathisanten identifiziert, was streng wissenschaftlich gesehen deswegen natürlich noch nicht heißen muss, dass alle Namen auch tatsächlich Spender sein müssen. Allerdings halte ich es für recht wahrscheinlich.
**) Update an dieser Stelle (16.06.2011 – 11:50) – Die Jusos Schleswig-Holstein kritisieren die Veröffentlichung der Karte, weil die Daten illegal erworben wurden und durch die Preisgabe von personenbezogenen Daten das hohe Gut des Datenschutzes aufs Spiel gesetzt wird.