Es ist ja ganz schön, auf dem Dorf groß zu werden. Für die vielen Superlative, die im allgemeinen so bereitgehalten werden gibt es gar nicht genug Menschen dort, so dass man als junger Mann den einen oder anderen davon widerstandslos für sich beanspruchen kann. So war ich damals der Schlauste, der Unangepassteste und der Witzigste. Man wird auf dem Dorf darin immer mal wieder bestätigt durch den Besuch der ländlichen Fahrschule, die Eignungs- und Verwendungsprüfung, zu der man musste, weil man total unangepasst seine Kriegsdienstverweigerung zu spät eingereicht hatte, und durch die frühe Entdeckung eines gewissen Helge Schneider, für den man an der Schule so etwas wie eine Werbekampagne abgehalten hat und dessen steigender Erfolg zu einem Teil als der eigene gewertet wurde.
Dann sagte die Frau Mama: „Geh studieren!“ und ich verließ das Dorf. Ich kam mit anderen schlauen, unangepassten und witzigen Menschen in Kontakt und alle meine Superlative mussten zu Komparativen herabgestuft werden. An der Uni gibt es ja zum Glück noch genug weniger Schlaue, sehr viele Angepasste und Nichtwitzige, so dass ich meine Hybris dort auf etwas niedrigerem Niveau aufrechterhalten konnte.
Und dann kam das Internet. Die Songs meiner Jugend haben sich verändert, seit ich die Texte gegoogelt habe, Del Amitri singen gar nicht „while American business is schnupperbingcropped“. Andere Songs, die ich für krachende Revolution hielt, entpuppten sich als schnöde Liebeslieder. Ich musste Jahre später erkennen, dass die Bewunderung, mit der ich auf den Tanzflächen der westfälischen Provinz angestarrt wurde in Wirklichkeit Verständnislosigkeit gewesen ist. Wie borniert ich war, das ist schon wieder lustig, auch wenn der Weg aus ihr heraus mich schon manchmal ziemlich gezwickt hat.
Ich habe inzwischen aufgehört mit unsinnigen Vergleichen. Über Twitter flattern mir morgens um sieben unglaublich viele Gedanken von anderen ins Mobile Device, einer liegt im Krankenhaus und sinniert über den Nachtpfleger, eine andere war am Vorabend saufen, ein dritter macht Sprüche und ist dabei der Schauspieler von Commander Data. Die Unermesslichkeit menschlicher Gehirne!
Ich weiß jetzt übrigens, dass es „while American business men snap up Van Goghs for the price of a hospital wing“ heißt.
Manchmal finde ich einen Gedanken schlau oder witzig und manchmal fahre ich mit dem Fahrrad in der Fußgängerzone.