Datengefahr

Heute Abend, vor dem schönen D64-Stammtisch in Köln, war ich ja auch noch bei dieser Veranstaltung „Staaten machtlos – Bürger schutzlos?“ der Friedrich Ebert Stiftung im Rahmen der Internetwoche Köln. Die Veranstaltung war gut besucht, es gab eine angeregte Diskussion, an der mich folgendes gestört hat: Wieder und wieder sprechen wir von Datenschutz und den Gefährdungspotenzialen, die entstehen, wenn unsere Datensignaturen, die wir im Netz hinterlassen – sei es willentlich in den Social Media Kanälen, sei es nicht willentlich durch Devicebenutzung, die durch Geheimdienste getrackt wird. Immer reden wir auf solchen Veranstaltungen davon, dass man mit diesen vielen Daten sicher viel böses anrichten könnte. Also Konjunktiv.

Dabei ist die Existenz dieser Daten für sich nicht verwerflich. Die Frage, die wirklich nie konkret beantwortet wird, ist aber: Was machen die, die diese Daten haben, damit? Und nie wird gefragt, welche der potenziellen Handlungen, die die, die diese Daten haben, ausführen, zu verurteilen sind. Das ist nämlich ein weites Feld, das noch niemand überblicken kann.

  • Jemand erhebt Daten von mir und leitet daraus ab, dass ich ein erhöhtes Krebsrisiko habe. Das verkauft dieser jemand an meine Krankenkasse. Die erhöht daraufhin meine monatliche Versicherungsprämie. Darf die Krankenkasse das?
  • Jemand checkt die sozialen Daten der Personen in meiner geografischen Nachbarschaft ab und erstellt daraus ein soziales Profil meiner Straße. Das Ergebnis verkauft dieser jemand an meine Haftpflicht/Einbruchs-/KeineAhnungWasVersicherung. Meine Versicherung erhöht daraufhin meine monatliche Prämie.
  • Jemand checkt meine Profile bei Twitter, Facebook und Instagram aus und beurteilt mich deswegen als kommunistischen Hardliner. Diese Information verkauft dieser jemand an meinen Arbeitgeber. Mein Arbeitgeber hat Angst, dass ich in der Belegschaft zu agitieren anfange und entlässt mich unter fadenscheinigen Vorwänden.

So oder so ähnlich werden die Bedrohungen sikzziert, die von den Datensignaturen ausgehen, die ich im Netz hinterlasse. Ich frage mich aber dabei immer: Dürfen so Versicherungen auf Basis solcher Daten die Prämien erhöhen? Ist nicht diese Frage der eigentliche Knackpunkt der ganzen Diskussion? Und dämonisieren wir nicht die Daten, die wir hinterlassen und die natürlich erhoben werden, eher aus der Bequemlichkeit heraus, weil wir uns scheuen, das riesige Fass aufzumachen, alle diese Milliarden Einzelfälle beurteilen und in „legitim“ oder „nicht legitim, deswegen verboten“ einordnen zu müssen? Die Daten an sich sind m. E. ja gar nicht das Problem, sondern immer nur das, was irgendwelche Player damit anstellen. Und weil wir – Stichwort Neuland! – nicht einmal überblicken können, wie viele dieser Probleme konkret auftreten können, schieben wir dem ganzen pauschal den Riegel vor und behaupten, dass Datenerhebung per se zu verurteilen ist. Dabei bin ich davon überzeugt, dass viele Innovationen, die wir heute wie selbstverständlich nutzen, nie entstanden wären, wenn Kreative nicht eine zunächst undefinierte, aber große Datenbasis gehabt hätten.

Der Begriff „Daten“ selbst ist ja auch höchst pauschalisierend und vereinfachend. Wenn wir von Daten im Allgemeinen sprechen, wird nie gesagt, welche Daten das in Detail sind, in welchen Zusammenhang sie erhoben wurden und vor allem in welchem Zusammenhang sie verwendet werden. Ich glaube, wir sind langsam an dem Punkt, wo wir uns die Bequemlichkeit dieser Pauschalisierung nicht mehr leisten können, weil sich unsere Diskussionen darüber im Kreis drehen.

Das sind so Gedanken, die mir durch den Kopf schwirren nach dieser Diskussion heute abend. Sie sind unfertig, vielleicht kann jemand einen Impetus daraus ableiten. Vielleicht ist das auch alles Unsinn.

Von Maxim Loick

Folgt mir auf Twitter: @Pausanias oder bei Google+: Maxim Loick

7 Kommentare

  1. Besonders jenes „jemand checkt die sozialen Daten meiner Nachbarschaft“ ist vor allem überhaupt nichts Neues, denn schon früher konnte man schlicht aus der Adresse im Telefonbuch und einem Stadplan schließen, ob jemand in einer „guten“ oder „schlechten“ Nachbarschaft wohnt… es war höchstens etwas mühsam.

    Übrigens muss es „geographisch“ und nicht „geologisch“ heissen… ;)

  2. : „Die Daten an sich sind m. E. ja gar nicht das Problem, sondern immer nur das, was irgendwelche Player damit anstellen.“

    Ich glaube, das ist ziemlich genau die Argumentation der der VDS-Befürworter_innnen. Die Daten werden erst einmal gesammelt und nur in ganz wichtigen Fällen dürfen ausgewählte Ermittlungsstellen darauf zugreifen.

    Es geht in der Debatte um Datenschutz/Post-Privacy eigentlich auch selten darum, jede Art von Datensammlung zu unterbinden. Die Forderung des Datenschutzes ist zumeist, dass nur die Daten gesammelt werden sollen, die für die Erbringung desjenigen Dienstes nötig sind, den ich beauftragt habe.

    „Es geht nicht um Pri­vat­heit, son­dern um die soziale Beherrsch­bar­keit der Maschi­ne­rie.“ — Wil­helm Stein­mül­ler (Autor des 1. Daten­schutz­gut­ach­tens von 1971)

    Siehe auch: http://kaffeeringe.de/2899/anonymitaet-ist-keine-loesung/

    1. Hi Steffen,

      worum es mir geht: Ich finde per se nicht schlimm, dass ich Datensignaturen im Netz hinterlasse. Ob ein Staat nun im Anschluss hingehen darf und alle diese Daten mal so sammeln darf, ist genau der erste der Fälle „wie werden die Daten verwendet“ – und meine Position dazu ist klar: Der Staat darf das nicht, finde ich.

      1. Du „hinterlässt“ keine Datenspuren. Jemand sammelt sie. Jemand entscheidet, was ein interessantes Datum von Dir ist und speichert es. LKW hinterlassen keine Mautdaten. Mautdaten werden gesammelt.

        Die Daten, von denen wir nicht wollen, dass die Internet- und Telefonprovider sie nach strengen Regeln speichern, werden von den Smartphone-Herstellern einfach so ohne Regeln gesammelt. Abrechnungsdaten sollten nach VDS nach 6 Monaten gelöscht werden. Google löscht sie nie.

        Natürlich geht es immer darum, WIE etwas genutzt wird. Wer aber vom einzelnen Menschen her und nicht von Unternehmen und Produkten her denkt, kann nicht erst regulieren, wenn die Kontrolle über ihr Leben verloren haben. Da gilt es auch ein paar Prinzipien durchzusetzen. Eines davon ist die Datensparsamkeit: Daten dürfen nur erhoben und in dem Sinn verwendet werden, dem ich zugestimmt habe. Und mit „Zustimmung“ meine ich nicht „Term of Use“, in denen auch nur steht, dass ich für immer ewig alle Rechte an allem, was ich tue aufgebe.

        Die Technologie muss für die Menschen da sein. Sie muss die Menschen emanzipieren und nicht bevormunden. Sonst sind wir nicht auf dem Weg zu Star Trek sondern zur Matrix. In beiden Welten sind die Menschen glücklich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert