Als Kind habe ich, wie wahrscheinlich 99% von Euch auch, ganz oft die Wimmelbilder von Ali Mitgutsch angeguckt. Darin passieren so viele Dinge! Eine Katze klaut gerade einen Fisch auf dem Markt, am Strand liegt ein dicker Mann mit Goldketten und hat sein Revier abgesteckt während Kinder durchs Wasser rennen und mit einem aufblasbaren Krokodil spielen. Zu jeder dieser kleinen Episoden denkt man sich, während man es selbst als Kind betrachtet, was wohl für ein Charakter hinter jedem dieser vielen Menschen stecken könnte. Man erfindet eine Skizze, ein Fragment von einem Charakter, die sich aus den wenigen Informationen zusammensetzt – Handlung, Aussehen, Kontext. Was könnte diesen Menschen dazu bewegt haben? Und die Skizze bleibt unvollständig.
Wenn es im ÖPNV mal wieder voll wird und mir Menschen näher kommen als ich zulassen würde, wenn ich nicht gerade im ÖPNV unterwegs wäre, oder wenn wir uns durch Menschenmassen auf sagenwirmal Pützchensmarkt schieben, hilft es mir ungemein, wieder die Position meines 5jährigen Ichs vor dem Wimmelbuch einzunehmen. Und zack! Muss ich keinen Menschen mehr hassen – im Gegenteil, die Skizzen, gerade weil sie so lückenhaft sind und genug Platz lassen für weitere gute und schlechte Eigenschaften, lassen mich den- oder diejenige*n irgendwie gut finden.
Und guess what! Das funktioniert sogar mit eine kompletten Gesellschaft! Ich hasse keine Menschen, ich finde sie faszinierend.
(Ok, heute ist ein sonniger Morgen, mal gucken wie’s aussieht, wenn die Nachrichten des Tages wieder eintrudeln mit ertrunkenen Geflüchteten, Mordanschlägen und vermöbelten Kindern.)