Ich hab eigentlich gar keine Lust, irgendwas zu schreiben zu Donald Trump. Und eigentlich auch keine Lust was über die politische Linke. Was habe ich 2013 im Wahlkampf für Peer Steinbrück noch „Inhalte! Inhalte!“ gerufen. Aber Inhalte machen gefühlt – Stand heute – nur noch 15% dessen aus, was Menschen dazu bringt, jemand die Stimme zu geben. Abermals steht die politische Linke als Verliererin da. Ich trage heute schon den ganzen Tag den Gedanken mit mir rum, dass es vielleicht an drei Dingen gelegen haben könnte: Mangelnde Geschlossenheit des linken Lagers, Sprache und Habitus.
"Postfaktisch!" erschallt es allenthalben, derweil wählen die Leute den, der ihre Worte benutzt. Die müssen sie nicht googeln.
— Maxim Loick (@Pausanias) November 9, 2016
Wahrscheinlich lässt sich das nicht ohne weiteres auf Amerika übertragen, ich nehme das unheilvolle Ergebnis der Wahl also eher als Anlass, ich sehe mich nicht imstande, das Ergebnis zu analysieren, dazu habe ich zu wenig Ahnung von den amerikanischen Verhältnissen. Ich meine lediglich, ein paar Beobachtungen in meiner größtenteils deutsch geprägten TL gemacht zu haben.
Mangelnde Geschlossenheit
Da hat der famose @mathiasrichel bei Facebook die Frage gestellt „Könnt ihr mir noch einmal sagen, wen die Amerikaner jetzt wählen sollen?“ – und da wir uns ja im lustigen Internet befinden einerseits und weil wir im Internet ja immer was besser wissen andererseits, haben sich dort gerade drei (einer davon ich) hinter Hillary Clinton gestellt. Natürlich haben die meisten das irgendwie lustig gemeint. Aber weil jede*r auf Teufel komm raus etwas besonderes sein will in der Selbstdarstellungmaschinerie, tun nur die wenigsten was dringend nötig wäre: Geschlossen stehen. Und wenn dann alles in die Grütze geht, sind die wenigen Deppen Schuld, die ihr Gesicht hingehalten haben.
Sprache
Das linke politische Lager ist meiner Wahrnehmung nach zu viel Kopf und Superschlauness und viel zu wenig Bauch mit Pommesvokabular. Da gewinnt ein dicker Sack mit geerbten Millionen trotz übelster sexistischer und rassistischer Ausfälle die Wahl – und die politische Linke beschwört „postfaktische Zeiten“, führt tiefschürfende Analysen in feinstem Akademiker*innendeutsch ins Feld und findet als einzige Erklärung, dass die Trump-Wähler*innen dumm sein müssen. Aber statt „postfaktisch“ zu googeln wählen die Leute dann lieber den, der „grab them by the pussy“ sagt. Nicht unbedignt, weil sie sexuelle Übergriffe nun so toll fänden, sondern weil da einer eine Sprache verwendet, die jede*r versteht. „Wie würdest Du das Problem XYZ angehen?“ – „Wir müssen da abwägen, einerseits…“ Schüss, Wähler*in weg. Wenn ein Trump aber lospoltert mit seinem Vokabular, dann bleiben sie dran. „Genau!“ sagt der/die eine oder andere vielleicht noch. Können wir nicht auch richtige Sachen in einfacher, von mir aus polternder Sprache sagen? „Wenn da ein Flüchtling kommt, dann ist das mein Freund, fertig aus! Im Urlaub waren die auch nett zu mir!“ Ob der Geflüchtete dabei aus Syrien kommt, ich aber in Ägypten im Urlaub war, ist dabei völlig unerheblich, quasi postfaktisch. So unglaublich es klingen mag, aber #spülerAusräumenToDeath ist immer noch nötig, ich hatte mich eigentlich inzwischen längst ein bisschen geschämt für den Artikel. Die Änderungen, die wir als Linke anstreben, müssen klingen. Einfach, handlich, verständlich. Das geht, ich bin mir da sicher.
Habitus
Schröders Brioni-Anzug war der Anfang, Heiko Maas als bestangezogener Mann des Jahres 2015 (oder so) die Fortsetzung und Hillary Clinton im Hosenanzug vor Glasfassaden von Banken das vorläufige Ende. Einerseits war es immer Ziel sozialdemokratischer Politik, Minderprivilegierten den Aufstieg zu ermöglichen und nicht wenige Sozialdemokrat*innen haben das tatsächlich geschafft. So weit so richtig. Aber schon Franz Walter hat die Probleme dieser Aufsteigergeneration beschrieben: die, die zurückbleiben, sind entsolidarisiert, stehen für einige Zeit unschlüssig herum und werden dann komisch, wenn diese ekeligen AfD-Typen in ihren furchtbaren Neckermann-Anzügen mit den noch viel billigeren Phrasen daherkommen. Wir müssen unseren Habitus ändern. Nicht nur von Nichtausgrenzung reden, sondern selbige auch zulassen. Helene Fischer spielen lassen, Pilsken heben. Hannelore Kraft mit ihrem heimeligen Ruhrdeutsch ist nicht von ungefähr immer noch ziemlich beliebt bei Wähler*innen, eine mit dem Habitus von „uns“ – und macht dazu noch die richtige Politik*). Der Habitus muss sein: Mir egal, wie ich wirke. Zuhören, Frage erfassen, antworten wie es nun mal aus mir rauskommt. Ungefiltert, ungesteuert, keine Taktik. Gespräche führen wie Fußball in den 70ern gespielt wurde: Stoppe, loore, scheeße. Mein Gegenüber nicht intellektuell abzuhängen versuchen, sondern den Zugang über Sprache und Habitus zu finden versuchen**).
Wir brauchen eine nicht-intellektuelle Linke. Unsere Positionen dürfen nicht wie unangenehme Übel daherkommen, die auszuhalten sind, um in unbestimmter Zukunft einen unbestimmten ideellen Gewinn zu verheißen. Unsere Forderungen und Positionen müssen sich jetzt und sofort gut anfühlen – und dann, wenn die Verheißung eintritt, die Früchte liefern. Joviales Weltretten sozusagen, aber mit NIVEAU! Das schöne an den postfaktischen Zeiten ist ja, dass wir keine unserer Positionen aufgeben müssen. Let’s nutz it!
*) Außer bei Braunkohle jetz!
**) Hihi, das ist ein schmaler Grat zwischen Authentizität und Anbiederung, das kann wirklich zu peinlichen Fehltritten führen. Aber wie heißt es so schön? Sei einfach ganz Du selbst :)