Der fabelhafte Peter Ruhenstroth-Bauer hat in seiner Funktion als Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe zu einer kleinen Blogparade aufgerufen – und weil ich zum einen Peter toll finde und weil zweitens die deutsche Blogosphäre imho mal ein deutliches Zeichen setzen sollte, wer hier eigentlich die Mehrheitsmeinung vertritt, beteilige ich mich sehr gern daran.
Hier die Fragen und meine Antworten darauf:
Wie hat sich die Willkommenskultur in Deutschland deiner Meinung nach verändert?
Als im Sommer und Herbst 2015 u. a. wegen des Krieges in Syrien sehr viele Geflüchtete nach Europa und vor allem auch nach Deutschland kamen, war ich richtig ergriffen ob der Hilfsbereitschaft, die unzählige Freiwillige und Ehrenamtliche an den Tag gelegt haben. Die „Trains of Hope“ liefen in vielen deutschen Großstädten ein und tausende Geflüchtete wurden dort mit offenen Armen, Spenden und direkter Hilfe begrüßt. Angela Merkel hat mit ihrem Satz „Wir schaffen das“ ein sehr wichtiges Zeichen gesetzt, nämlich dass wir nicht nur verpflichtet sind, Menschen in Not zu helfen, sondern dass wir auch das Selbstvertrauen haben sollten, dass wir das auch können. Tausende Freiwillige haben das eindrucksvoll bestätigt. Heute, zwei Jahre später, ist zumindest in den Medien der Ton ein anderer. Konservative erzählen uns was über „sichere Herkunftsländer“, in die Geflüchtete abgeschoben werden sollen, auch wenn dort Menschen nach wie vor Terror, Krieg und Gewalt ausgesetzt sind.
Dabei habe ich das starke Gefühl, dass bei denen, die bis heute freiwillig helfen, sich an der ursprünglichen Haltung eigentlich gar nichts geändert hat. Ich glaube, dass die, die 2015 nachts zu den Bahnhöfen geströmt sind, das heute wieder tun würden. Ich glaube, dass die, die bis heute täglich freiwillig und ehrenamtlich Hilfe leisten, immer noch genauso zahlreich sind – aber nicht so laut. Warum auch, wenn ich täglich wie selbstverständlich meine gute Arbeit abliefere, dann ist das eigentlich keinen schreienden Medienbericht wert. Wäre es aber eigentlich doch.
Was Angela Merkel bei ihrem eigentlich guten Satz „Wir schaffen das“ vergessen hat: einen Halbsatz, der mit „indem wir“ anfängt. Einer entschlosseneren Kanzlerin wäre so ein Halbsatz leicht gefallen.
Was können du und andere Blogger unternehmen, um die öffentliche Meinung gegenüber Flüchtlingen positiv zu beeinflussen?
Wir sollten dem, was vielen selbstverständlich erscheint, mehr Raum geben – im Internet, in den klassischen Medien, in den Schulen, im Bus morgens, in den Büros und in den Kneipen. Wir sollten nicht von Flüchtlingswellen sprechen, sondern uns Mühe geben, die persönlichen Schicksale zu erkennen und von diesen zu erzählen. Wir sollten uns Mühe geben, das Framing zu verändern, in dem über Geflüchtete gesprochen wird. Wir sollten uns klar machen, dass Flüchtlingshilfe ein wesentlicher Faktor gegen Radikalisierung ist – und genau das sollte in allen o. g. Kanälen von den Blogs über die Schulen bis in die Kneipen ein allgemeiner Tenor werden. Blogger*innen spielen dabei eine nicht unwesentliche Rolle, prägen sie doch maßgeblich Diskurse, die online geführt werden, indem auf ihre Artikel in Diskussionen in den verschiedenen Timelines einfach verlinkt werden kann.
Hast du eine Idee, was Menschen, die sich (online) für Flüchtlinge engagieren möchten, noch tun können?
Tut Euch zusammen. Bei Facebook gibt es die fabelhafte Idee #ichbinhier – dort tun sich Menschen zusammen, die in Online-Diskussionen Widerstand leisten gegen Hetze und an den Haaren herbeigezogenen Kommentaren. Dort findet man konkrete Hilfe, wie man sich dem Hass entgegenstellt.
Und das ist symptomatisch dafür, was man tun kann: Sich gegenseitig stärken, sich virtuell unterhaken, der Sprache der Hetze eine andere Sprache entgegensetzen, die „Frames“ zu verschieben. Durch die Verwendung von Namen statt von Zahlen – und vor allem durch das klare Bekenntnis: Ich stehe hier und bei mir treffen Geflüchtete und deren Helfer*innen auf ein offenes Ohr.
Hattest du schon persönliche Begegnungen mit Flüchtlingen? Erzähle uns doch von Deiner Begegnung.
Meine Kinder berichten, dass in ihren Klassen auch geflüchtete Kinder auftauchen und dass diese Kinder es nicht leicht haben. Dass sie manchmal aggressiv sind – und sogar mein sechsjähriger Sohn versteht, dass solche Aggressionen Gründe haben müssen.
Wir haben, unsere Kinder, @frau_ratte und ich, einer Geflüchtetenunterkunft in Bonn mal 200kg Spielsand im Baumarkt gekauft. Die Kinder haben ihr abgelegtes Sandspielzeug dazugelegt. Als wir später am Abend ein Foto in der TL sehen konnten, auf dem die Kinder der Geflüchteten mit unseren Sandautos und Schippen gespielt haben, hat das glaube ich in meinen Kindern etwas sehr schönes ausgelöst. Das Gefühl, geholfen zu haben, ist etwas sehr schönes und eindrucksvolles, das sollten wir viel mehr kultivieren.
So, und wenn Du selbst vielleicht auch noch eine Kleinigkeit tun möchtest, dann
a) schreib auch einfach eine Blogpost und
b) unterzeichne wenigstens die Petition der UNO Flüchtlingshilfe.