Habe dieser Tage den Stall hinter unserem Haus als Büro in Betrieb genommen, da lag eine der Hochzeitszeitungen, die unsere Freund*innen damals, als wir geheiratet haben, für uns geschrieben haben. Darin ein Beitrag von meinem zu Schulzeiten sehr sehr guten und engen Freund Joscha Douma über mich. Joscha sagt in diesem Text, ich sei anders, was ich selbst ja irgendwie gar nicht so finde. Meine Schwester Antonia hat sogar mal behauptet, ich sei wertkonservativ, was mich sehr getroffen hat, aber was vielleicht auch ein bisschen stimmt. Jedenfalls bauchpinselt es mich natürlich sehr, so ehrenhaft als „anders“ charakterisiert zu werden.
Außerdem habe ich ja zuletzt ein paar Alben via 1001albumsgenerator.com abgehört, darunter auch das fabelhafte „Transformer“ von Lou Reed. Und auch wenn das natürlich allein aufgrund des Erscheinungsjahrs inzwischen Alte-Leute-Musik ist, finde ich den Mut zum Anderssein, der auf diesem Album zum Ausdruck kommt, doch sehr bemerkenswert. Und als ich kurz darauf in der Küche stehe und was schönes koche, was mich an die gute alte Zeit erinnern soll, und dabei Jörg Thadeusz bei WDR 2 anfängt, auf dem Tisch eine Ausgabe des Bonner General Anzeigers, in der abermals irgendwelche abgehalfterten alten Musikermänner (Neil Young oder Pink Floyd oder so) geehrt werden, kommen die Kinder rein und machen schnellen, abgefahrenen Japan-Anime-Punk an. Darin sind so schöne Brüche und Wechsel und das geht dabei so ab! Shit den ich noch nie zuvor gehört habe, wie gile!
Alter, was schreibe ich hier? Das ist doch keine Hommage ans Anderssein! Das ist peinliche Peter-Kraus-die-Jeans-von-1958-passt-immer-noch-Ewigjunggebliebenheit! Anderssein ist was ganz anderes! Anderssein ist das Sich-Nehmen von Freiheit, ist Shiceegalness! Anderssein ist die Umkehrung von Scham! Anderssein hat nichts mit persönlicher Rückversicherung zu tun, sondern mit Kraft und Energie, Anderssein stirbt in dem Moment, in dem man es sein will statt es zu sein. Anderssein kann nicht reflektiert werden, weil es dann sofort peinlich wird. Anderssein kann man nur bei anderen bewundern und wenn man Glück hat, schreibt so’n Joscha das für Dich auf und dann darfst Du für ein Sekündchen ein bisschen gebauchpinselt sein, aber es ist völlig unmöglich, das in die Gegenwart oder gar darüberhinaus retten zu wollen. Anderssein ist flüchtig, und jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen, dass es das per definitionem sein muss, denn wäre es nicht flüchtig, wäre es ja gewöhnlich! Orr!
Danke, dass Ihr mir bisschen beim Zusammenklappern einiger Synapsen zugesehen habt. Morgen schneide ich die Hecke im Vorgarten in die vorgesehene geometrische Form.