Bold Moves required

Die Ampel hat gezeigt, wozu rot-grün trotz mutwilliger FDP-Behinderung fähig ist, Leuchtturm dieser ehrlich gesagt gar nicht so schlechten Bilanz ist die innerhalb von weniger als einem Jahr erreichte Unabhängigkeit vom russischen Gas. Das war Habeck.

Die Union liegt in den Umfragen weit vorn, die FDP wird hoffentlich in ihrem aktuellen Zustand mit dem nächsten Bundestag nichts zu tun haben, die rechten Schweine*) blockieren derzeit fest 17-19%. Aus Sicht des politischen Lagers links der Mitte sieht es also gar nicht mal so gut aus für die im Frühjahr 2025 anstehende vorgezogene Bundestagswahl. Wie sollen wir das in den paar Monaten drehen und dann die Wahl gewinnen?

Erstes Kapitel: Was war nochmal in den USA?

Ich meine im zurückliegenden Wahlkampf in den USA folgendes wahrgenommen zu haben:

  • Nachdem Kamala Harris (in die ich eigentlich immer noch verliebt bin, aber AOC soll bitte nicht eifersüchtig werden, ich liebe Euch beide!) das Zepter von Joe Biden als Kanzlerinnenkandidatin übernommen hat, ist sie in meiner Wahrnehmung mit vielen eigenen Themen und Standpunkten gestartet. In dieser Zeit hat sie meiner Wahrnehmung nach die größten Umfragegewinne erzielt.
  • Nach einiger Zeit aber hat sich ihr Wahlkampf wieder darauf verlagert, dass „Trump nicht wählen!“ wie das eigentliche Ziel aussah. Das war nicht gut. Irgendwo habe ich eine Statistik gesehen, dass die Nichtwähler*innen in den USA dieses Jahr den größten Stimmenblock gebildet haben. In dieser Hinsicht haben die Leute also mehrheitlich genau das getan, was der Wahlkampf der Demokrat*innen von ihnen verlangt hat: Sie haben Trump nicht gewählt. Leider aber auch nicht Harris.
  • Warum ist es Harris so schwer gefallen, ihre eigenen Positionen publik zu machen? Wenn so’n Trump die ganze Zeit eine bold Aussage nach der anderen trifft, also Aussagen so bold, dass frau sich dazu verhalten muss, dann ist die Gefahr groß, in ein reines Reaktions- statt Aktionsverhalten zu verfallen. Forderungen, die uns alle den Atem stocken lassen, haben für den (nicht gegendert), der sie aufstellt, den Vorteil, dass sie alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, den Diskurs blockieren und vernünftige Forderungen lame aussehen lassen.

Zweites Kapitel: Wettbewerb der Ideen

Irgendjemand kluges hat neulich in meiner freundlichen Mastodontimeline gepostet: Den Wettbewerb der Ideen haben wir**) längst gewonnen. Es gibt keinen einzigen Fakt, der nicht für die Ideen des linken politischen Lagers spräche, zum Beispiel:

  • Ausstieg aus der Atomenergie
  • Tempolimit
  • Ausbau der erneuerbaren Energien
  • AfD-Verbotsverfahren
  • Unterstützung der Ukraine gegen Russland

Sogar das aus mir unerfindlichen Gründen umstrittene Heizungsgesetz hat alle Fakten auf seiner Seite und die Einfamilienhäuser in Vilich-Müldorf, die der linken Bazillerei gänzlich unverdächtig sind, haben alle inzwischen den Ventilator einer Wärmepumpe im Vorgarten stehen. Das „was“ ist also eingentlich längst klar, es geht nur noch um das „Wer?“ und „Wie?“.

Dittes Kapitel: Wie?

Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Pandemie ist gerade rum, der Klimawandel dräut nicht nur, sondern ist in vollem Gange und allenthalben packt sich das rechte Pack zusammen. Die Gemütslage geht dahin, dass die Leute Heilsbringer wollen. Demokratie? Eher zu anstrengend, die Aufgaben sind so groß, dass wir uns als Individuen das nicht zutrauen. Wir wünschen uns jemanden, der/die weiß wie es geht und das auch macht. Nochmal in die USA geguckt: Trump hat nicht die geringste Ahnung, was zu tun ist, nimmt den Menschen aber die Last ab, selbst entscheiden zu müssen, was wir als nächstes machen, et hätt noch immer joot jejange. Die Zeichen stehen auf Boldness. Die Leute sind so fertig von den Feuern in Australien, 28°C in Novembernächten in Südfrankreich und den ewigen roten Linien, die wöchentlich das Abschmelzen der arktischen Eise verdeutlichen, dass sie einerseits lieber ihre Wohnungen schmücken und andererseits alles, was darüber hinausgeht, an irgendjemanden auslagern wollen, der nicht sie selbst ist. Das führt dazu, dass man sich wie Trump nur hinstellen muss mit der Attitude: Ihr wisst es nicht, ich weiß es nicht, aber ich mache einfach irgendwas! Keine Kompromisse, ich TUE WAS, egal was.

Warum zum Fick stehen wir, die wir links der politischen Mitte stehen, nicht genauso da? Wir haben den Wettbewerb der Ideen längst gewonnen, wir wissen es tatsächlich besser. Wo ist die linke Führungsperson, die die Eier(stöcke) in der Hose hat, mal beherzt auf den Tisch zu hauen? Wir Wähler*innen wollen das! Lindner? Soll abhauen! Behindert uns in der Ausübung unserer Pflicht, die Energiewende durchzudrücken! Merz? Soll abhauen mit seinen misogynen Ansichten! Wird Zeit, dass die Erwachsenen endlich mal nach Hause kommen und die Wohnung wieder auf Vordermann bringen. In die Ecke, Besen Besen, seid’s gewesen, und Schluss mit den Gehampel, bei dem die konservativen allen Ernstes immer noch glauben, dass sie mit ihren Ansichten auch nur einen Blumentopf gewinnen könnten. Es wird Zeit, dass das linke politische Lager die Attitüde „wir müssen Widerstand leisten“ ablegt und stattdessen selbstbewusst einen Führungsanspruch – und zwar einen Alleinführungsanspruch! – einfordert. Das liegt dem politischen Lager links der Mitte nicht so im Blut,  I know, aber es ist inzwischen nicht nur ein berechtigter Anspruch, sondern eine Notwendigkeit.

Viertes Kapitel: Wer?

Klare Sache: Es muss Scholz oder Habeck sein. Blöd ist, dass es beide gibt, denn während die schwarzen Betonköpfe alles auf einer Person vereinigen können, teilt sich das Lager links der Mitte schon traditionell auf mindestens Scholz und Habeck auf, ganz abgesehen davon, dass das Lager links der Mitte so viele Menschen hat, die es immer noch ein bisschen besser wissen, dass wir von denen, denen Scholz und Habeck zu rechts sind, gar nicht erst anfangen wollen. Die Antwort auf die Frage nach dem „Wer?“ muss vor allem dadurch geleitet sein, dass es eine*r sein muss, nicht zwei und nicht hunderte. Und es muss jemand sein, der/die sich bewusst ist, dass es nicht mehr auf die besseren Inhalte ankommt – die haben wir eh auf unserer Seite – sondern auf das Standing und die Resilienz der Person, die uns retten soll. Ehrlich, ich traue es beiden zu, Scholz und Habeck. Aber sie müssen sich verbünden und sich auf einen von ihnen einigen.

Fünftes Kapitel: The bold Move

Was ist also der bold Move, der im Frühjahr die Welt retten wird? Es muss eine Vereinigung des Lagers links der Mitte geben, eine*n Kandidat*in, der/die von allen links der Mitte getragen wird, im Klartext: Scholz XOR Habeck. Einer muss es machen, der andere muss sich hinter ihn stellen mit allem, was er hat. Das wäre der bold Move, der die Bevölkerung mit offenem Mund staunen lassen würde. Das würde den längst gewonnenen Ideen den nötigen Pfupf verleihen. Das würde die Themen in den Medien bis zur Wahl bestimmen. Das würde der AfD den Garaus machen. Das würde die CSU in die bayrische Provinz schicken.

Epilog

Das wird nicht passieren. Es erscheint den Beteiligten zu bold, obwohl es im Vergleich zu dem, was Rechte sich herausnehmen, eher klein erscheint, aber dennoch wird es nicht passieren. Man wird sich auf die kleinen Diskussionen einlassen, das Für und Wider diskutieren, man wird abwägen und gewichten, aber man wird sich nicht trauen, eine große Entscheidung zu treffen. Wir werden uns auf eine finstere Zeit einstellen müssen.

 

 

*) Sorry, Nutztiere, dass Ihr als negativ konnotiertes Symbol für die rechten Arschlöcher herhalten müsst! Wir arbeiten am gesellschaftlichen Wandel, so dass Ihr hoffentlich bald als Synonym für Empfindsamkeit und Sensibilität stehen könnt.

**) Alle links der Mitte

Von Maxim Loick

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