Warum, liebe Parteivordere, geben wir unsere Haltung (genaugenommen Eure Haltung, denn meine persönliche ist ja bekanntermaßen eine andere, aber wir sind ja in einer Partei, da muss ich von unserer Haltung sprechen) zur Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht auf? Warum lehnen wir sie nicht kategorisch ab? Liegt es nur daran, dass Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten prinzipiell ein Problem mit kategorischen Haltungen haben? Ich finde das ja eigentlich ganz ok, denn kategorische Haltungen treffen im Detail eben oft daneben. Aber im Fall der VDS sehe ich das anders. Es geht mir ausnahmsweise heute mal nicht um den Wahlkampf oder um das Licht, in dem wir da stehen, seit die PRSIM und Tempora Enthüllungen den Scheinwerfer auch auf uns gerichtet haben.
Es geht mir heute mal um die sozialdemokratische Haltung, die wir (ich eingeschlossen) zeigen wollen. Warum halten wir (also Ihr, liebe Parteivorderen) uns immer noch ein Hintertürchen offen? Warum lavieren wir (also Ihr) immer noch herum mit Formulierungen wie „EU Richtline grundlegend überarbeiten“, ohne zu sagen, was die Richtlinie denn nun genau besagen soll? Haben wir (also Ihr, liebe Parteivorderen) Angst, dass wir ohne Mittel da stehen, wenn es zu einem Terroranschlag kommen sollte? Dass wir dann nicht adäquat reagieren können, wenn wir uns nicht ein Hintertürchen zur Überwachung offen gelassen haben? Ist der Grund für dieses Geeiere, dass wir (also Ihr) in vorauseilendem Reflex jetzt schon mal die Verschärfung der Überwachung ermöglichen, wenn irgendein Irrer irgendwo in Deutschland eine Bombe zündet? Fällt Euch jetzt in diesem Moment, wo alles friedlich ist, nichts besseres ein, seid Ihr jetzt schon panisch?
Gesetzt den Fall, wir stellen einen Bundeskanzler Steinbrück und gesetzt den Fall, es kommt in seiner Regierungszeit zu einem terroristischen Anschlag, wie wollen wir (ich eingeschlossen) dann reagieren? Wollen wir in blindem Aktionismus Bewaffnete auf allen öffentlichen Plätzen, wollen wir dann jedes Telefongespräch aufzeichnen? Wollen wir dann unser Leben elementar ändern und wollen wir Terroristen die Genugtuung gönnen, dass sie unsere Gesellschaft tatsächlich grundlegend aus den Angeln gehoben haben?
Was machen wir, wenn wir einen terroristischen Anschlag erleben müssen? Die Hintertür wieder ganz aufmachen und die VDS wieder voll einsetzen? Oder wollen wir das, was die westlichen Demokratien nach 1945 so erfolgreich gemacht hat, ins Feld führen?
Ich wünsche mir eine Bundesregierung, die in einem solchen Fall sagt: „Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“ Ich wünsche mir, dass Verbrecher, die eine solche Tat begehen, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt, gefasst und bestraft werden. Ich wünsche mir, dass solche Täter vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Ich wünsche mir, dass unsere Demokratie demonstriert, wie unsere demokratischen Mittel funktionieren. Ich wünsche mir Innenpolitiker, die jetzt!, wo alles verhältnismäßig friedlich ist, die Zeit nutzen und sich Konzepte und Szenarien überlegen, wie im Ernstfall im Rahmen unseres Grundgesetzes reagiert werden kann. Ich wünsche mir, dass man nicht überrascht ist und man so vorbereitet ist, dass man gerade nicht in die üblichen Reflexe verfallen muss. Und ich wünsche mir explizit nicht, dass man jetzt schon ein Verbiegen des Grundgesetzes vorbereitet. Ich wünsche mir, dass die SPD das Format von Jens Stoltenberg auf Deutschland überträgt.
Frage mich gerade, ob du dich nicht oft fragst, ob du nicht doch in der falschen Partei bist. Bei diesen Parteivorderen.
Ach, es ist nicht alles schlecht an den Parteivorderen. Anderswo ist es noch schlimmer. Wenn jede Partei die Vorderen hat, die sie verdient, dann mach ich bissi bei der SPD mit, damit sich die Partei bissi ändert und Vordere bekommt, die mir besser gefallen.
Aber wie gesagt, es sind gar nicht mal die schlechtesten Parteivorderen.